Anja Book. Die Frau eines großen Mannes.
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Die Frau eines großen Mannes …

 

 

… das klingt politisch vollkommen inkorrekt, oder? Politisch inkorrekt per Definition: In der Ausdrucksweise können Ausdrücke und Handlungen enthalten sein, die Gruppen von Menschen kränken, abqualifizieren oder beleidigen können, etwa bezogen auf deren Geschlecht, Hautfarbe oder Größe. Das wäre ein Treffer (ins Schwarze), aber der Mann von Anja Book, Jürgen, ist zweimeterundacht groß, insofern dürfen wir das so schreiben.
Gut, er ist in der Szene historischer Fahrzeuge über seinen Beruf als Glasurit-Lackspezialist ebenfalls ein Schwergewicht. (schon wieder inkorrekt..) Das geht so nicht weiter. Statt politisch korrekt „gravitativ benachteiligt“ oder „vertically challenged“ zu schreiben kommt ab jetzt aus Gründen der Einfachheit und in Ermangelung eines Warntons dieser optischer Hinweis (…) nach, vor oder während jedem Ansatz potenzieller politischen Inkorrektheit.

 

Als Anja Book gut gelaunt und einssiebzig groß im Tankstellenhäuschen des Oktaneums, dem Ort unseres Interviews ankommt, lässt sie lässig ihren Autoschlüssel auf dem Tisch gleiten. Am Schlüsselbund hängen ein ZZ-Top- und ein FOOSE-Anhänger. (Anmerkung der Redaktion: Chip Foose, angesagtester US-Autodesigner, „OVERHAULIN“-TV-Star und Auto Veredler mit einer millionenstarken Fangemeinde)

 

OKTANEUM: Hey Anja, du hast ja einen FOOSE-Anhänger am Schlüsselbund, bist du ein Fan?

 

ANJA BOOK: Auf jeden Fall! Aber Chip ist auch ein guter Bekannter von uns. Wir haben uns vor einigen Jahren in seiner Werkstatt in Huntington Beach kennen und schätzen gelernt. Später haben wir auch auf der SEMA Show (legendäre und weltgrößte Aftermarket Messe in Las Vegas), als dort unser Buick Riviera ausgestellt war, über das Thema Autoveredelung gefachsimpelt.

 

OKTANEUM: (ungläubiger Blick) Du kennst Chip Foose persönlich? Für ein einziges Treffen mit ihm würden viele Menschen gottweisswas geben. Was magst du an Foose und seinen Kreationen?

 

ANJA BOOK: Zuerst einmal ist er trotz seiner Berühmtheit ein ganz feiner, liebenswerter Mensch. Total auf dem Boden geblieben und verbindlich. Chips Auto-Kreationen sind ultra-cool, weil sie die Form des Autos betonen, statt sie radikal zu verändern oder in Frage zu stellen. Er sagte uns einmal, sein Ansatz sei, die Autos so zu designen, wie sie vielleicht der Designer einmal gedacht hat, wenn er gedurft hätte. Also, bevor der Rotstift der Produktion oder Sicherheitsauflagen das Auto von vornherein oder wieder in Richtung Mainstream verändert haben. Plus ein paar individuelle Designelemente (wie die Foose Felgen) natürlich. Er stapelt da ziemlich tief, finde ich, aber im Grundsatz stimmt das schon. Manchmal sieht man erst auf den zweiten oder dritten Blick, wie radikal die Veränderungen tatsächlich sind: Das Ergebnis ist aber immer schlüssig. Und die Autos sind am Ende nicht nur wunderschön, sondern auch perfekt in der Ausführung, daher auch die Zusammenarbeit mit meinem Mann Jürgen und Glasurit.

 

 

OKTANEUM: A propos: Du reist mit deinem Partner um die ganze Welt, ihr trefft Menschen, die in der Automotive-Welt von Rang und Namen sind. Dabei sind berühmte Rennfahrer, Motorsportchefs von Automobilkonzernen, Topmanager, Buchautoren und Stars. Fühlst du dich manchmal in seinem Schatten stehend? (…)

 

ANJA BOOK: So groß ist er auch wieder nicht … (lacht) Nein, eher im Gegenteil. Wir sind ja beide autoverrückt und gerade die Klassiker-Szene ist super offen. Wir pflegen Freundschaften mit teilweise sehr bekannten Menschen, ja. Aber die, mit denen wir befreundet sind, sind super entspannt. Die haben Standesdünkel und so etwas nicht nötig und so gibt es auch bei mir keinerlei Berührungsängste. Wir haben ja alle einen gemeinsamen „Spleen“ und dann spielt der Bekanntheitsgrad keine Rolle.

 

OKTANEUM: Manchmal sieht man euch mit großen, lässigen amerikanischen Autos durch Münster und das Umland fahren. Seid ihr auf US-Cars konzentriert oder habt ihr auch Augen für europäische Marken?

 

ANJA BOOK: Mit großen Ami-Schiffen cruist es sich so schön, das passt zu unserem „way of life“. Auch das Design und der Sound von US-Cars gefällt uns. Aber wir sind offen für europäische Marken und fahren auch Ford, VW und Mercedes. Und Jürgen behauptet steif und fest, er würde in einen Lloyd Alexander passen, der Bild-Beweis steht allerdings noch aus.

 

OKTANEUM: Was magst du an klassischen Fahrzeugen?

 

ANJA BOOK: Wenn ich in einem sitze und ihn fahre, fühle ich mich total frei und in meiner eigenen Welt. Die alltägliche Hektik bleibt draußen und das genieße ich wirklich sehr.

 

OKTANEUM: Was ist dein Lieblingsklassiker?

 

ANJA BOOK: Die Autos in unserer Mini-Sammlung mag ich sehr. Aber meinen Mercedes-Benz 300 CE-24 würde ich niemals verkaufen.

 

OKTANEUM: Wie kommt es, dass dir gerade ein Youngtimer so wichtig ist?

 

ANJA BOOK: Der „CE“ stand schon immer auf meiner Liste. Ich finde das Auto großartig und es war ein besonderer Moment, als ich ihn abholen durfte. Auf der Rückfahrt aus Dresden kamen im Radio passend alle Lieder, die mich an meine Liebsten erinnern. Es war ergreifend und unwirklich schön. Jürgen fuhr mit seinem normalen Auto vor und zunächst nur 130. Jede Erhöhung bis 200 hat „der Benze“ mitgemacht und schließlich habe ich ihn mit Leichtigkeit überholt. Schon als junges Mädchen war es mein Traumauto. Falls ich mal Ersatzteile brauche, bekomme ich die von Marcus Lorinser. (Anmerkung der Redaktion: Lorinser ist ebenfalls ein angesagter Veredler von Fahrzeugen.)

 

OKTANEUM: Was schätzt du am Münsterland, wenn ihr eine Tour fahrt oder euch mit Oldtimer-Freunden trefft?

 

ANJA BOOK: Es ist schön flach, hat nicht so viele Kurven. Die Parklandschaft und ihre versteckten Ecken zu finden macht einfach Spaß, sie zu erfahren (Auto) und entspannt mich. Am besten mit coolen Leuten aber gerne auch mal allein zum Abschalten.

 

OKTANEUM: Kommst du eigentlich gebürtig aus Münster?

 

ANJA BOOK: Nein, ich bin in Leisnig bei Dresden geboren (Anmerkung der Reaktion: Das hört man nicht). (…) Mein erstes Auto war deshalb ein Trabant, noch die runde Form. Nicht mit 20 PS, nein mit vierundzwanzig PS. Da haben wir ’nen Wartburg Motor reingeworfen. Die „Rennpappe“ hatte also tüchtig was unter der Haube (lacht) und einen Mega Heckspoiler. Schon damals waren mir Autos sehr wichtig. Aber es ging mir dabei nie so sehr ums Prestige, viel mehr um den Charakter.

 

OKTANEUM: Apropos Charakter: auch eure magische Garage hat selbigen. Sie ist einzigartig, maximal abgefahren und sowas von nicht jugendfrei (…). Wie ist denn das passiert?

 

ANJA BOOK: Die Garage ist Jürgens Refugium. Es ist über die Jahre gewachsen. Aus allen Ecken der Welt haben wir etwas mitgebracht und das hat manchmal einen Ehrenplatz dort bekommen. Den Fernseher-Tick (neun !) und die ganze Musik- und Lichtanlage kann man nicht erklären. Es ist unser 2. Wohnzimmer. Schöne Tage und Nächte haben wir da verbracht und gefeiert, gebaut, Zigarre geraucht und ab und zu gibt es sogar ein Dinner mit Kerzenschein.

 

OKTANEUM: Erzähle uns doch mal von einem unvergesslichen Oldtimer-Erlebnis.

 

ANJA BOOK: Na ja, es gibt in unserem Leben viele unvergessliche Momente mit alten Autos. Unseren Lincoln Continental haben wir am Tag nach unserer Vegas-Hochzeit in Arizona gekauft und dann nach L.A. gefahren. Die geheime Reserve im Schlumpf Museum ansehen, in Brooklands die alte Rennstrecke abgelaufen, Auto kaufen in Pomona, Hot-Rod-Treffen bei Donuts Derelicts und Chip besuchen in Huntington Beach, mit Carson Lev (Chips Manager) im 1959er Redphin-Chevy zum Studio von „Overhaulin“ fahren und so weiter. Auch die Sammlung von Jay Leno haben wir exklusiv besucht. Der ist mal richtig verstrahlt. Aber in letzter Zeit war es sicher das Erlebnis, mit dem VW K70 über die Rennstrecke am Bilster Berg zu „metern“. Das war ganz schön krass.

 

OKTANEUM: Im Ernst? Du fährst VW K70 auf einer Rennstrecke? Das Auto ist ja nicht nur super selten, sondern auch sagen wir mal – vorsichtig ausgedrückt – ungeeignet dafür, oder?

 

ANJA BOOK: Vorsichtig ausgedrückt: Ja. Es sollte ja im Konvoi nur 70 gefahren werden und das sollte auch ein K70 schaffen. In der Startaufstellung fanden das auch die anderen Rennstrecken-Teilnehmer mit Porsches und so. So ein fahrender Ziegelstein sieht halt nicht sehr nach Racer aus. Ist ja auch keiner. Dazu war ich natürlich die einzige Frau auf der Strecke. Hab den harten Jungs aber brav Platz gemacht, während wir auf letzter Rille durch die Kurven fuhren. Anbremsen, herausbeschleunigen … Motor, Bremsen, Fahrwerk, Physik, alles am Anschlag. Ich war nach 6 Runden echt geschafft. Da war Schluss mit Schönschreiben. Es gab aber mittendrin und am Schluss einige Lacher und „Daumen hoch“ der anderen Teilnehmer. Spaß pur und das Auto ist heile geblieben! K 70 war dann „keine 70“ (lacht)

 

OKTANEUM: Besitzt ihr denn ein Auto, das „Rennstrecken-tauglich“ ist?

 

ANJA BOOK: Nö. Die sind konsequent unbrauchbar für Rennstrecken. Aber wir hätten ein Auto, das nochmal wesentlich weniger geeignet wäre, als die anderen. Ein ausgemusterter 1980er Ford Transit von der Werksfeuerwehr der BASF, den wir vor einigen Jahren vor dem Schrott gerettet haben, regelmäßig fahren und sehr mögen. Dagegen bietet der K70 Performance pur. (lacht). Aber mit der „Transe“ (…)  sind wir bei der Creme 21 mal 3 Runden in Spa gefahren und in der Eau Rouge aus der Kurve gerauscht (flüstert) … Und mit Blaulicht.

 

OKTANEUM: Willst du denn wieder auf die Rennstrecke?

 

ANJA BOOK: Ja sicher! Das war einfach geil! Aber beim nächsten Mal lieber mit zwei oder dreihundert PS mehr unter der Haube und standfesten Bremsen (lacht …) Dann hört das mit dem überrundet werden von den schnellen Herren auch vielleicht auf. (zwinkert mit verschwörerischem Blick)

 

OKTANEUM: Vielen Dank für das Interview. Wenn du das nächste Mal Chip Foose sprichst: viele Grüße aus dem Oktaneum!

 


 

Anja und Jürgen Book sind so ziemlich die untypischsten typischen Menschen aus dem Radius. Untypisch könnte in diesem Fall auch extravagant meinen. Denn das ist spätestens die Garage der zwei Kultblech-Enthusiasten aus Münster. Wirklich spätestens, denn auch ihre unterschiedlichsten Fahrzeuge entsprechen so gar keinem gängigen Klischee und sind auch einfach nicht einer Idee oder Richtung folgend. Was sehr erfrischend ist, denn man weiß nie, mit welchem Gerät individuell vorgefahren wird. Dies sind beispielsweise ein patinierter GMC Suburban (was „groß“ meint …), ein sechs-Meter Cadillac De Ville Cabriolet, oder ein über alle Grenzen modifizierter Buick Riviera Boattail, um einige Exemplare aus der amerikanischen Ecke zu nennen.
Typisch sind die zwei, weil sie die Szene auf sehr angenehme Art beleben, weil sie weltweit beinahe unglaublich gut vernetzt sind – und stets bereit, eine gute Party zu feiern.

 

 

Ein Interview von: Arndt Hovestadt    Fotos: Hubertus Huvermann

 

 

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