Es könnte alles so einfach sein. Die Bauhausvilla hat eine Tiefgarage mit Aufzug, das schöne Automobil fährt einfach empor, mitten ins Wohnzimmer. Hier kann man sich das Objekt in aller Ruhe ansehen und genießen.
Da wären nur zwei Probleme: Die meisten besitzen keine solche Bauhaus Villa und falls doch, könnte man dieses Erlebnis kaum mit jemandem teilen, nun ja, weil das einfach nicht überall gut ankommt. Deshalb gibt es das Oktaneum. Hier stellen Menschen, die ihre Klassiker nicht in dunkle Garagen verbannen möchten, das Auto in eine Art verlängertes Wohnzimmer mit Treffpunkt Gleichgesinnter ohne Spleen.
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Ein Rückblick: Anfang des vergangenen Jahrhunderts entstand im Süden Münsters eine Industrielle Produktionsstätte für Holzverarbeitung. Gebaut – natürlich – aus Holz. In den siebziger Jahren schloss das Familien-Unternehmen für immer. Was blieb, war ein Gebäudekomplex mit Potenzial. Die interessante Konstruktion mit Tragwerk unter dem Dach kommt ebenerdig auf 600 Quadratmetern ganz ohne Stützen und Pfeiler aus. Statt diese Besonderheit zu nutzen, wurden Wände eingezogen und der großzügige Raum in Parzellen unterteilt. In der Folge nutzte bis 2016 keine der vielen Firmen, die als Mieter folgten, die Möglichkeiten des Gebäudes.
Im Frühjahr 2016 entwickelte sich die Möglichkeit, aus der Immobilie wieder etwas Vorzeigbares zu machen. Die Idee, Stellplätze für Sammlerfahrzeuge entstehen zu lassen war schnell geboren. Das Konzept, Oldtimer in einem historischen Gebäude zu präsentieren hatten das Meilenwerk, Motor-World und die Classic-Remise erfolgreich vorgemacht, auch wenn die Immobilien in Berlin, Düsseldorf und Stuttgart wesentlich größer sind, als das „Oktaneum“ in Münster. Denn das sollte der Name für das Konzept werden, „Oktan“ für Kraftstoffgüte, „eum“ für lat. Raum. Also „guter Kraftstoffraum“. Das Zeichen des „Fueldrops“ getauften Logos kennzeichnet seit dem das Konzept.
Der Ausbau und die Ausstattung wurde insgesamt auf die sinnvolle – aber auch schöne – Unterbringung von Sammlerfahrzeugen ausgerichtet.
Der Aufwand der Sanierung war immens, nahezu jedes Element des Gebäudes musste angefasst werden. Die tragende Struktur blieb zwar erhalten, Teile der Wände und große Mengen von Sicherheitsglas, der Hallenboden und die Elektrik mit Stromanschlüssen an jedem Stellplatz und die Sanitäranlagen entstanden jedoch von Grund auf neu. Zwei „Boxengassen“ bieten nummerierte Stellplätze mit großzügiger Auslegung.
Der Ausbau und die Ausstattung wurde insgesamt auf die sinnvolle – aber auch schöne -Unterbringung von Sammlerfahrzeugen ausgerichtet. Und darauf, im Oktaneum auf angenehme Art und Weise Zeit zu verbringen. Mit Freunden oder der Familie, oder auch mal alleine mit dem Klassiker und einer Tasse Kaffee. Events wie Ausfahrten und Schraube lockern (eine Art Stammtisch ohne Parolen) sind fester Bestandteil des Oktaneum-Konzeptes.
Event-Rückblick: der CLASSICDAY 2019
200 Kilometer lang Kurven, einen Tag lang Spaß.
Was dem Oktaneum noch fehlte, war eine Lounge als Treffpunkt. Aufgrund des Namens und des Logos schien ein Tankstellen-Thema logisch. Also wurde ein Häuschen im Stil einer 60er Jahre mit runden Scheiben und in typischer Form erbaut. In der rekordverdächtigen Zeit von drei Tagen. Ergänzt wurde das Häuschen durch eine kleine Kombüse für Getränke und großzügige Sitzmöglichkeiten für Events und spontane Treffen. Für entsprechendes Ambiente wurde eine alte Industriebeleuchtung im Ruhrgebiet erstanden, optisch und technisch instand gesetzt und verbaut. Eine Werkstatt mit Druckluft und Hebebühne bieten die Möglichkeit kleinerer Checks am Fahrzeug. Die Absicherung per Alarmanlage und Videoüberwachung runden das Konzept ab.
Ein glücklicher Zufall folgte: Durch ein Familienmitglied eines „Oktanauten“ wurde auf eine verlassene BP-Tankstelle östlich von Bielefeld aufmerksam gemacht. In dieser sollten noch originale Elemente aus der Zeit vor 1970 vorhanden sein, die der Besitzer möglicherweise abgeben wollte. BP-Tankstellen-Brandings sind aus gutem Grund in der Oldtimer Szene sehr begehrt, denn das Unternehmen war lange im Motorsport aktiv.
Das charakteristische Logo in Gelb und Grün ist auf vielen Rennwagen der sechziger und siebziger Jahre zu finden. Und es gibt keine BP-Tankstellen mehr in Deutschland. Im Gegensatz zu den Nachbarländern Holland und Belgien wurden in den vergangenen Jahren das Branding aller BP Tankstellen in Deutschland durch das von ARAL ersetzt.
Das Gebäude wurde ausgeräumt, um die BP-Elemente in der neu entstandenen Oldtimer-Location wieder aufzubauen.
Zurück zur Ruine in Ostwestfalen. Diese war in den 80er Jahren unrentabel geworden und geschlossen worden – ohne ausgeräumt zu werden – und wurde dadurch zu einer regelrechten Zeitkapsel. Seit vom Besitzer geschätzt fünfzehn Jahren hatte niemand mehr das Innere des Gebäudes gesehen (!). Und es barg tatsächlich viele Schätze wie originale BP-Ausleger, Emaille-Schilder und Unterlagen. Mit dem Inhaber wurde man schnell einig, er war begeistert von der Idee der „Auferstehung“ seiner alten Tankstelle. Das Gebäude wurde ausgeräumt, um die BP-Elemente in der neu entstandenen Oldtimer-Location in Münster wieder aufzubauen. Einen Ersatz für die bereits bei der Auflösung Anfang 1980 entsorgte Zapfsäule und das dazugehörige Ölkabinett fand sich nach intensiver Suche im Raum Hamburg. Damit war die „BP-Tanke“ außen optisch komplett.
Super, eine Tankstelle ohne Sprit.
Kurz darauf wurde durch einen Freund der Mineralölkonzern ARAL/BP auf das Oktaneum und dessen ungewöhnliche Geschichte aufmerksam gemacht. Dort kam die Idee gut an. Der Pressesprecher Detlef Brandenburg stellte spontan den Kontakt zum hauseigenen Museum her, welches tatkräftig mit Plänen, Informationen und originalen Magazinen aus der Zeit für eine historisch korrekte Umsetzung unterstützte.
Am 24. August 2018 wurde „BP-Oktaneum“ durch Detlef Brandenburg als einzige noch verbliebene BP-Tankstelle in Deutschland „eröffnet“. Und das, obwohl es hier überhaupt keinen Kraftstoff gibt. Dafür ein Stück Lebensfreunde. Für alle, die unter der Villa keine Tiefgarage mit Aufzug besitzen.
Arndt Hovestadt
Text: Oktaneum Redaktion
Design: Katrin Schießl, ARAL-BP-Archiv
Fotos: Marcel Färber, Arndt Hovestadt