DNA
4 Minuten

Fahrer

und Spieler

 


 

Die Liebe zu Mobilem wird Experten zufolge ziemlich sicher per DNA weitergegeben und in zartester Kindheit freigesetzt. Und sie ist extrem einfach strukturiert. Schon ganz früh entscheiden sich Menschen in der Ausrichtung ihrer Leidenschaft für oder eben gegen alle Formen rollfähigen Spielzeugs. Und zwar für den Rest ihres Lebens und selbstverständlich geschlechterübergreifend. Und dies – trotz des so zarten Alters – meist außerordentlich konsequent, selbstbestimmt und oft sogar frei von frühkindlicher Prägung. Manche würden wohl „leider“ sagen. Obwohl dies ein viel zu komplexes Thema für eine simple Einteilung ist – und es auch viele Mischformen beider Typen gibt – unterscheiden wir trotzdem an dieser Stelle einmal ganz einfach in „Fahrer“ und „Spieler“. Mit der leichten Tendenz zum Fahrer, weil es in diesem Web-Magazin um Fahrkultur geht (und weil dieser Beitrag von einem geschrieben wurde). 

 

Bei Fahrern werden manchmal die Spielzeuge größer, manche machen es zu ihrem Beruf, andere sind von allerlei mobilem Zeug (an)getrieben. Aber die Ausrichtung bleibt in den meisten Fällen für immer die gleiche. Klar gibt es auch Momente im Leben eines Fahrers, in denen er merkt, dass die andere Abteilung auch echt etwas zu bieten hat. Zum Beispiel Puppen. Nein, nicht zum Spielen. Schon eher, wenn man sie von Brücken oder Balkonen wirft, um zu sehen, wie im wesentlichen Crashtest-Dummies funktionieren. Außerdem kann man sie anschließend super mit dem Bagger wegräumen. Oder der heranwachsende „Rollspielzeugler“ bemerkt auf einmal, dass die andere Abteilung irgendwie auch ganz schön süß ist. Und so. Nur dass selbige so überhaupt nicht auf Hobby-Baggerfahrer stehen, die Puppen misshandeln.

 

 

 

Fahrer funktionieren vielleicht so simpel wie Motoren: Luft, Kraftstoff, Zündung, rumms. Explosion, Kolben hoch oder zur Seite und wieder zurück, fertig. Spieler hingegen brauchen, könnte man meinen, ähnlich wie ein funktionierender Organismus einen intakten Kreislauf (statt Kraftstoff). Also saubere Luft zum Atmen, einen vernünftigen Herzschlag, den richtigen Blutdruck und einen gefüllten, aber nicht zu vollen Magen. Also ein stimmiges Gesamtpaket. Sind Spieler und Fahrer denn überhaupt nicht kompatibel? Kein bisschen?

 

Nicht dass das schlecht wäre, Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an, manchmal sogar sehr. Aber wirklich verstehen können sie sich vielleicht ihr Leben lang nicht. Spieler: „Ach Schatz schau mal, ist das Kissen nicht wunderschön in diesem Purpur mit der Spitze und den Intarsien in Brokat?“ Das Gehör des Fahrers kürzt diesen Content auf ein für ihn nutzbares Maß ein und übersetzt es in etwa so: „Achtung, Kissen, kaufen.“ Und alle funktionierenden (drei) Sinne triggern das plötzlich starke belastete Kleinhirn gleichzeitig mit einem sehr reduzierten Datenpaket, was übersetzt in etwa lautet: „Fiese Farbe, teuer, doof.“ Der Blick, mit dem der Fahrer diesen Input kontert, wirkt manchmal leicht debil, mal uninteressiert, oft genervt, aber nie, niemals aufgeschlossen, mit leuchtenden Augen und unabdingbar bejahend. Genauso umgekehrt. „Schatz, schau mal, der neue AMG-GTR, klingt der geil!“ Antwortet: gar nicht. Denkt: „Der Motorsound erinnert an das Brunftgeschrei paarungswilliger Jung-Elche.“ (nicht ganz von der Hand zu weisen). Denkt weiter: „Ein Glück nicht dein Spielzeug, das muss also jemand anders wegräumen.“ Zack, Thema abgeschlossen. Übrigens dauert der Akt bei Elchen lediglich zwei bis drei Sekunden.

 

Anderer Sprachcode, andere Gebärdensprache, anderer Blickwinkel, anderes Bauchgefühl, anderes Farbempfinden, anderer Sinn für Gerüche, alles anders. Was das heißt? Maulschlüsselsatz oder Pullover zum Geburtstag? Serpentinen am Limit, oder Ambiente-Urlaub? Die Schlammpackung lieber im Wellness-Hotel oder im Offroad-Park? Mit Lärm, Krach, vollständig verdreckt und knapp überlebt? Jetzt mal ehrlich. Ihr wundert euch über das Feedback, wenn ihr ölverschmiert, nach Lack, Gummi und Benzin müffelnd und total im Eimer viel zu spät zuhause aufschlagt? Worüber? Dass euch niemand auf die Schulter zimmert und mit loderndem Blick und tiefer Stimme ins Ohr haucht: „Hast du das Technik-Tier gebändigt, mein Held? Zieh mich sofort in die Höhle, ich hab schon mal Feuer gemacht.“ That´s not gona happen. Dumm gelaufen, aber nachvollziehbar. Menschen ohne messbaren Oktan-Gehalt im Blut interessieren sich nun mal nicht für Drehmomentschlüssel.

 


„Klar, Schatz, finde ich super, dass du noch einen Oldtimer gekauft hast (der nur noch kurz restauriert werden muss und gerade Kernschrott ist, so wie unsere Waschmaschine).“ 


 

Natürlich gibt es auch Geschlechter-übergreifende Fahrer/Fahrer Konstellationen, die sind einfach: „Hey, wollen wir morgen mit dem Allrad nach Mauretanien?“ Antwort: „Klar, ich packe eben Schlafsack und Buschmesser ein.“ Oder: „Sag mal, was macht das halbe Motorrad im Flur?“ „Ach so, das ist ein 51er Harley Starrrahmen, ich will ´nen Oldschool-Chopper bauen, Fußkupplung, Handschaltung und so..“. Antwort: „Geil, ich mach ´nen Termin beim Pulverbeschichter.“
Für alle anderen gilt eher gegenteiliges. Spieler: „Schatz schau mal, wie schön die Blumen in unserem Vorgarten blühen.“ Fahrer antwortet: „Super Schatz, hab ich gar nicht gesehen“ Denkt: „Fiese Farbe, die will ich plattmachen, gibt mehr Platz für Autos (und dafür brauche ich einen Bagger).“ 

Test gefällig, wie der Partner tickt? Wenn die Farbe eines Autos wichtiger ist als der niederträchtige Klang eines unkultivierten, durch riesige Vergaser saufenden Monstermotors, sind Zierpflanzen vor dem Haus wichtiger als Parkflächen. Und umgekehrt. So als Grundregel. 

 

Warum es solch ein Thema überhaupt in ein Web-Magazin schafft, dessen Leserschaft und Autoren zumindest mehrheitlich aus Rollspielzeug-Fetischisten besteht? Weil vor allem Fahrer verstehen müssen, dass außer Fahrern niemand Fahrer versteht. Es braucht eine einfache Übersetzung. Nein, das Getriebe hat damit nichts zu tun, das wäre in diesem Fall eher Untersetzung. Sprache und Gefühl muss übersetzt werden. Ohne Hebel, aber mit Gefühl. Eine Lösung muss her. Am einfachsten führt man diese mit Hilfsmitteln herbei – natürlich – aus der Automobilindustrie, woher denn auch sonst?

 

Zum Beispiel so: man besorge sich eine noch unbenutzte Fahrzeug-Bedienungsanleitung nebst ungestempelten Serviceheft vom einem Automobil-Hersteller des Vertrauens und schreibe sie einfach für die eigenen Bedürfnisse um. Der Autotyp wird dabei durch den Namen des Partners ausgetauscht. Ein Ölwechsel ist fällig? Durchstreichen, wird durch Blumenstrauß ersetzt. Ein großes Servicepaket steht an? Wird einfach kurzerhand auf die eigenen vier Wände angewendet, inklusive Endreinigung, mit Aufkleber auf dem Badezimmerspiegel, gute Fahrt. Eine Jahresinspektion? Beinhaltet fein Essen gehen mit romantischem Spaziergang in der Natur. Haken dran und Stempel rein, fertig. Und das ist nicht etwa übertrieben. Nein, das ist D. N. A.

 

 

Text & Design: Arndt Hovestadt    Fotos: Aaron Torres, JJ Ying

 

 

 

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