Elektroauto. Bumms, fertig.
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Elektroauto. Bumms, fertig. Ein ganz fairer Vergleich zwischen Elektro und Autos und was das mit Flugzeugträgern und Ersatzbefriedigung zu tun hat.

 

 

Vorwort: Dieser Artikel beginnt nach diesem relativ langen Satz (weitere lange Sätze folgen im Verlauf des Artikels) und jawohl, mit einer Verneinung, auf die mehrere Verneinungen folgen, auch wenn Literaturprofis unisono behaupten, dass das nicht in Ordnung ist.

 

Nein. Hier geht es nicht um den Sinn oder nicht Sinn eines Verbrennungsmotors oder Elektroantriebes in Fahrzeugen. Auch nicht um Philosophien gegen oder für selbige. Ebenso nicht um umwelttechnische Vor- oder Nachteile der Konzepte, Nachhaltigkeit oder Verbrauch. Was sich gehört oder nicht gehört, wird in diesem Artikel (außer in diesem Satz) ebenfalls nicht weiter behandelt. 

Nichts dergleichen. Denn darüber wurde eigentlich schon alles geredet und geschrieben, befunden, gefilmt und getestet. Gelästert hatten wir noch vergessen. Es geht auch nicht darum, wer am Ende des Tages etwas gut oder weniger gut findet, denn der Inhalt ist zu 100 Prozent unpolitisch, was heutzutage mitunter schwer zu finden ist. 

 

In diesem Artikel geht es um etwas, worüber vermutlich noch niemand geschrieben hat. Nämlich was die – auch ohne Wertung – zugegebenermaßen beeindruckende Beschleunigungsdynamik eines mittel bis gut motorisierten Elektroautos ohne jegliches Geräusch mit einem Fahrer macht und wie man das in einen Kontext mit der Physik und manchmal jahrzehntelang erlerntem Fahrverhalten bringt.

 

Achtung:

 

Wenn du zum ersten Mal ein E-Auto fährst, welches auch noch ordentlich Kraft im Futter hat, musst du aufpassen. Denn wenn du in gewohnt entspannter Manier die Haltung eines – nennen wir es einmal ganz vornehm – Boulevard-Cruisers – einnimmst, also die Hand auf dem linken Türschacht-Gummi, die Wirbelsäule leicht ins Fahrzeuginnere, den Kopf lässig nach vorne geneigt und die rechte Hand bananenförmig von ein Uhr beginnend um den oberen Lenkrandkranz geparkt, passieren diesen Fahrzeugen beim beherzten Gasgeben folgendes: Deine Pranke rutscht ruckartig nach hinten bis der Ellenbogen an die B-Säule knallt, der eben noch lasziv gehaltene aber eben schiefe Oberkörper nimmt durch den Vollkontakt mit dem konturierten Sitz eine völlig neue aber auch nicht wirklich gelungene Form an, während der Aufprall des Kopfes stabil von der Kopfstütze aufgefangen wird. Und zwar mit der Verzögerungsdynamik eines F-18 Hornet Fangseils auf einem Flugzeugträger der Nimitz-Klasse. Ja, nun ist es so weit: Du bist als Fahrer nur noch Gast im eigenen Körper und der kann nicht mehr denken, denn er bewegt sich mit Warp 4 vorwärts und deine Seele samt Gehirn versucht krampfhaft, sich daranzuheften.  

 

Ausser Kontrolle alles gut.

 

Dein Blick geht nun – weg von der Straße – in Richtung Innenleuchte und Panoramadach. Mittlerweile ist deine Zunge auch am hinteren Begrenzer angekommen. Ein Glück ist das Auto schlauer als du und hält per Mikroprozessor und gezieltem Eingriff der Elektronik den lautlosen Boliden einigermaßen auf Kurs. Der Unterarm ist mittlerweile vom Lenkrad abgerutscht, deine Hand krallt sich krampfhaft Halt suchend noch mit zweieinhalb Fingern ans Volant, was den Spurhalteassistenten nebst Warnton aktiviert. Dein gesamter Körper befindet sich jetzt deutlich weiter hinten und tiefer im Fahrzeug, auch weil der Sitz vorne höher ist. Deine taktilen Verbindungsnerven sind ebenso wie das Sehvermögen im Notbetrieb. Das gestaltet gleichzeitig den Kontakt zu sämtlichen Bedienelementen schwieriger, irgendwo zwischen weniger exakt und gar nicht. Auch nicht so optimal, aber wie gesagt: auch das Auto hat es gemerkt und mit einem optisch unvollkommenen Schlenker pariert, begleitet von einem hochpräzisen Mikroeingriff des elektronischen Stabilitätsprogramms.

Kabel und Steuergeräte sind nun betriebswarm. Leider denkt dein Auto jetzt, dass du nicht die hellste Kerze auf der Torte bist, zumindest wenn es mit KI ausgerüstet ist. Und noch schlimmer: jemand hat das Ganze vom Straßenrand aus beobachtet und denkt in der gleichen Geschwindigkeit, in der es abläuft: „So verdammt schnell die Karre auch ist, das sieht echt nicht gut aus.“ Was möglicherweise auch an deinen weit aufgerissenen Augen liegt.

 

So weit, so gut, du lernst ja schnell.

 

Spätestens nach zwanzig Launchcontrol-Starts hast du Fahrphysik und deinen Körper im Griff. Bedauerlicherweise ist dir jetzt schlecht. Aber alter Schwede, es ist wirklich cool, wie das beschleunigt. Leider gibt es auch Beifahrer in Elektroautos. Grundgütiger, die haben jetzt aber echt ein Problem und müssen komplett umdenken. (Schwierig, wenn sich der Mageninhalt vertikal an der hinteren Magenwand befindet).

Denn als Fahrer eines mit Verbrennungsmotor ausgerüsteten Fahrzeugs machst du durch mehrere Indikatoren auf geplant zeitnahe Beschleunigung aufmerksam. Das Anschwellen des Geräuschniveaus vom Antrieb dokumentiert zum Beispiel, dass du geneigt bist, dem Fuhrwerk die Sporen zu geben. Zum Beispiel durch beherztes Herunterschalten in Kombination mit irrem Blick. Zeit genug wäre ja, das Drehmoment ist ja praktisch zwar auf der Anreise, aber noch nicht angekommen. 

 

Nicht so im E-Auto. Denn hier fällt Reaktionszeit und Trouble Management des E-Beifahrers etwas kürzer als ja sagen wir mal gar nicht aus. Und noch schlimmer: Menschen ohne zumindest latente, also vorhandene, aber noch nicht in Erscheinung getretene Halsmuskulatur erleben diese Tortur vielleicht zum letzten Mal. Denn die wissen ja gar nicht, ob und auf welchem Geschwindigkeitsniveau du als Jockey das nächste Mal den gesamten Drehmomentberg als supermodernes Folterwerkzeug einsetzt und ob du nicht vielleicht selbst im Moment der Kraftentfaltung ohne jegliche Kontrolle an der gefühlten Grenze zur Schwerelosigkeit herum ruderst. Besser für Fahrgäste wäre das im oberen Geschwindigkeitssegment, denn da nimmt der Luftwiderstand zum Quadrat zumindest die Spitze heraus. Allerdings sind viele Elektroautos abgeregelt, das hilft also auch nicht unbedingt. 

 

Jetzt mal ehrlich:

 

Wenn Airbags in E-Autos eine ähnliche Performance hätten wie das Drehmoment ihrer Antriebe, würde dich der Luftsack doch direkt auf den mit veganem Textilleder bezogenen Rücksitz knallen, sofern vorhanden. In diesem Fall sollten Fahrzeughersteller ja wohl mindestens einen durch den Skisack erreichbaren Defibrillator in den Kofferraum einbauen. Strom sollte ja genug da sein, 800-Volt-Technik sei Dank. Ein Glück funktioniert das Rekuperieren nicht von ebensolcher Kraft und Herrlichkeit wie das Beschleunigen. Allerdings ist spätestens mit dieser raffinierten Erfindung zur Energierückgewinnung das Anschnallen auch ohne Feindkontakt mit Fahrzeugen oder Immobilen ratsam bis angemessen.

 

Wir müssen über Befriedigung reden, es geht nicht anders.

 

Es geht um Plus und Minus, um den Kreislauf. Denn es fehlt etwas ganz Wesentliches. Wenn du in einem Elektroauto praktisch uneingeschränkte Kraft hast, immer und überall, brauchst du alle Sinne beisammen. Wenn durch das unbenutzte Gehör aber mindestens eine ganze Wahrnehmungs-Gattung entfällt, und keine Zeit für Emotionen oder zumindest einen irren Blick bleibt, brauchst du, vor allem aber deine Fahrgäste eine Ersatzbefriedigung. Und die ist Kraft in Hülle und Fülle, gerne kombiniert mit Halsmuskeltraining unter ärztlicher Aufsicht. Oder du fährst Verbrenner, langsamer, aber mit allen Sinnen. Ende.

 

Text: Arndt Hovestadt
Foto: Carl Reynier

 

 

By the way: we have chosen the Taycan picture after Elon went crazy. 

 

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