WIR MÜSSEN REDEN. ÜBER 100 JAHRE AUTOMOBILDESIGN.
Wie ist das Automobildesign entstanden? Wer hat es geprägt, wer hat die schönsten Fahrzeuge der Automobilgeschichte entworfen. Wer hat sie gebaut und welcher Nation gebührt der größte Respekt. Eine Verneigung vor 100 Jahren Automobildesign.
Am Anfang, also in den zwanziger Jahren und davor, stand die reine Funktionalität im Fokus der Fahrzeugentwickler. Die Fahrzeuge entstanden noch in groben Zügen auf Basis von Pferdekutschen und sahen auch so aus. Wie ließen sich die Käufer, die finanziell in der Lage waren überzeugen? Dazu war nicht viel nötig. Der Gedanke an die Möglichkeit, individuell mobil zu sein, reichte als Faszination vollkommen aus. Die Autos bestanden aus den Teilen, die für ihre Funktion notwendig waren, mehr nicht.
Form und Farbe: egal. Ein Beispiel? Henry Ford wörtlich: „Sie können das Model A in jeder erdenklichen Farbe bestellen, vorausgesetzt es handelt sich dabei um Schwarz.“ Ford war durch den immensen Bedarf der erste Fabrikant, der auf einer Serienfertigung am Fließband setzte. Erfolgreich natürlich. Obwohl Henry Ford den Weitblick besaß, das erste Großserien-Automobil samt Produktion zu entwickeln und damit auf geradezu unerhörten Fortschritt zu setzen, sah er sein eigenes Produkt als quasi fertig entwickelt an. Ein schier unglaublicher Trugschluss.

Denn die Zeit blieb nicht stehen. In den dreißiger Jahren entdeckten Fahrzeugentwickler – neben einer Vielfalt an Farben – etwas viel Wichtigeres: die Aerodynamik. Diese war ganz klar geprägt durch die Luftfahrt, aus der mittlerweile viele Lehren gezogen werden konnten. Aerodynamik, das war klar, macht schnell und senkt den Verbrauch. Geschwindigkeit und Reichweite brachten jedoch eine neue Herausforderung. Mit Schlaglöchern übersäte Feldwege standen der Entwicklung im Weg, so viel stand fest. Deshalb wäre es unfair, den Straßenbau nicht wenigstens als Randnotiz in die Entwicklung der Fahrzeuggeschichte aufzunehmen. Bessere Straßen kamen, die Autos wurden schneller und konnten damit weiter entfernte Zeile erreichen. Und schöner wurden sie, denn die Aerodynamik brachte eine zwar praktisch effiziente, aber auch ästhetische Komponente hinzu.
Im Luxussegment entstanden Karosserie-Manufakturen für Betuchte. Die skulpturalen Karosserien von Figoni et Falaschi, oder Bugatti, Sonderkarossen auf Basis von Maybach, Duesenberg & Co waren immer besonders, oft atemberaubend, ihre Schöpfer nie ohne Arbeit. Die angesagten Manufakturen waren als Folge meist ausgebucht.
Dort nahm man die handgeschriebenen Bewerbungen ihrer potenziellen Käufer, wie Könige, Großindustrielle oder Superschurken, entweder an – oder verwies sie an trivialere Hersteller.
Erste Ideen von Massenmobilisierungen nach dem Ford Model-A gingen in die konkrete Planung, in Deutschland war es zunächst der Opel „Laubfrosch“, dann der „KDF-Wagen“ als Vorgänger des Volkswagen Typ 1, später bekannt und geliebt als Käfer. Die Idee dahinter war richtig, Lenker und Denker des Projektes jedoch teilweise und auf eine unangenehme Art größenwahnsinnig sowie wirtschaftlich wenig kompetent.

War noch etwas in den Dreißigern? Ja, der Individualverkehr wurde durch mehr Hersteller und der damit verbundenen Vergleichbarkeit plötzlich interessant. Nun konnten sich tatsächlich auch immer mehr Menschen aus der mittleren Einkommensschicht Autos leisten. Was zur Folge hatte, dass Automobilhersteller zur Unterscheidung erstmals so etwas wie einen Markenauftritt benötigten.
Der Name des Herstellers und des Fahrzeuges begann, eine gewisse Relevanz zu bekommen. Erstmals war nicht die Mobilität das Statussymbol, nein, um welches Auto es sich handelt war plötzlich ein Thema. Und das Design war ganz klar als Medium angekommen.
Mehr Chrom? Hochwertiges Auto, höherer Preis. Ästhetische Art Deco Details? Angesagt. Damals wie heute ließ sich aus der Größe ebenfalls das Preisniveau definieren.
Ein Neustart. mit altem eisen.
Ende der Dreißiger bis Mitte der Vierziger Jahre brachten vor allem den furchtbaren und wirklich vollkommen unnötigen Zweiten Weltkrieg. Dem kann man nichts Gutes abgewinnen, aber die Technik hatte sich in der dunklen Zeit trotzdem entwickelt. Außer dem VW Typ 1, denn der war ja nicht wirklich aktuell. Der Volkswagen Typ 1 wurde in den späten Vierzigern den Deutschen und im Anschluss der ganzen Welt zwar als neues Auto verkauft. Im Prinzip war es aber das gleiche Auto wie die mehr als fünfzehn Jahre alte Konstruktion von vor dem Krieg. Dem Erfolg und der großen Beliebtheit des Käfers und seinen Derivaten wie dem später lancierten Karmann Ghia hat dies jedoch keinen Abbruch getan. Und der Volkswagen war nicht das einzige Fahrzeug, dass Mitte bis Ende der Vierziger mit Vorkriegstechnik als „neu“ verkauft wurde.
Die meisten Fahrzeughersteller in Europa waren Ende der dreißiger in Rüstungsunternehmen verwandelt worden, nicht selten um Flugzeuge zu bauen. Auch deshalb war es wieder die Luftfahrt, sowie die verwandte Raketentechnik, die einen Einfluss auf das Design hatte. Dabei kam es nicht so sehr auf die Funktionalität an. Diesmal war es die Optik, die im Fokus stand. Die Amerikaner setzten hier Maßstäbe, euphorisiert durch zwei gewonnene Kriege und die überaus dynamische Entwicklung von Technologien im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Schallmauer, space age, luxus.
Im Amerika der späten vierziger Jahre durchbrach Chuck Yeager als erster Mensch die Schallmauer. Wenige Jahre zuvor war das für den Großteil der Menschheit noch undenkbar. Die Folge: Selbstbewusstsein, Flossen, Raketen-Optik, mondäner Luxus sowie Leistung im Überfluss. Harley Earl gilt als einer der einflussreichsten Automobildesigner dieser Zeit. Angestellt bei General Motors zeigte er sich verantwortlich für die faszinierendsten Studien und die konsequentesten Ausführungen des Space Age Designs. Erst Ende der Fünfziger (Earl ging 1959 in den Ruhestand) endete dieser Trend, vermutlich für immer.
Die besten Automobildesigner der Welt kamen aus…
…Italien. Auch in Großbritannien, Frankreich und Deutschland entwarfen Automobildesigner, lange bevor sie so hießen, schöne Karosserien für Fahrzeuge. Doch nur die Italiener krönten ihre Kreationen manchmal mit derart viel Feingeist, dass sie das Publikum mitunter sprachlos machten. Die heute weltberühmten Karossiers namens Giugiaro, Zagato, Pininfarina und Bertone, um nur einige zu nehmen, waren ab den fünfziger Jahren stets als stilsichere Trendsetter unterwegs. Auf Messen, denn die gab es auch mittlerweile auf verschiedenen Kontinenten, legten ihre Konzeptautos nicht selten die Richtung für die kommenden Jahre fest.
Ferrari, Lancia, Maserati und Alfa-Romeo brachten ein Design-Highlight nach dem anderen auf den Markt. Die späten fünfziger und angehenden sechziger Jahre brachten einige der wohl schönsten und interessantesten Fahrzeuge aller Zeiten auf den Markt. In Deutschland war das sicher der Mercedes-Benz 300 SL mit seinen legendären Flügeltüren, von England aus brachte der Jaguar E-Type Menschen und den Verstand und in Frankreich fiel die betörend schöne Citroën DS vom Himmel.


Die sechziger. Formvollendet.
Die sechziger Jahre erdeten das Automobildesign mit einer Vernunft betonenden Designsprache. Limousinen kamen meist klassisch und reduziert daher. Ein Beispiel? Der Lincoln Continental aus dem Luxussegment war so erfrischend klar gestaltet wie kaum ein amerikanisches Fahrzeug vorher. Ästhetische Highlights dieser Zeit waren eher Sportwagen zuzuordnen. Die reinsten Formen kamen von Herstellern wie Lamborghini mit dem wunderschönen Miura.
Sein Designer, Marcello Gandini, sollte zu den einflussreichsten Formgebern der kommenden Jahrzehnte werden. Der Legende nach krochen die Chefgestalter einiger Automobilkonzerne auf Knien über den Messeteppich um den Miura herum, festen Willens wenigstens eine Linie zu finden, die nicht perfekt war. Ohne Befund. Dabei wäre schon einzig ein in Serie gefertigter Supersportwagen mit Mittelmotor V-12 genug Schlag genug ins Gesicht der Konkurrenz gewesen, denn Ferrari brauchte von da an noch sieben Jahre, um den 365 GT4 BB zu lancieren und zumindest technisch gleichzuziehen.

Ach ja, und das Automobil wurde in den Sechzigern neu erfunden und zwar von einem gewissen Sir Alec Issigonis. Mit seinem genialen Entwurf des Mini schaffte er es, auf kleinstem Raum von drei Metern und erstmals quer eingebautem Vierzylinder Reihenmotor vier Personen mit leichtem Gepäck unterzubringen.
Der Mini war nicht nur ein Raumwunder sondern auch eine Stilikone, die es auf eine Bauzeit von vierzig (!) Jahren bringen sollte. Konnte der Mini sonst noch etwas? Ja, er konnte als „Cooper“ die berühmteste Rallye der Welt gewinnen. Vier mal von 1964 bis 1967 demütigte dieses kleine lustige Automobil sämtliche Hersteller auf der Rallye Monte Carlo. Zu viel für die ausrichtenden Franzosen, deshalb wurde der Sieger 1966 disqualifiziert, wegen falscher Glühlampen in den Scheinwerfern. Das geht ja auch nicht.
Was immer wieder auffiel: Trends, welche die Automobilindustrie geprägt, verändert oder auf den Kopf gestellt hatte, blieben zum Teil oder wurden nur angepasst. Ab dem Mini blieb der quer eingebaute Antrieb und schaffte gleich eine ganz neue Fahrzeugklasse, wie die „kompakten“, zu der später der Golf zählen sollte.
Zwar verschwanden auffällige Stilelemente wie die Raketenflossen, doch der Anspruch an Individualität und Luxus, Aerodynamik, genauso wie der Anspruch, möglichst individualisierbare Fahrzeuge für jeden Geldbeutel zu schaffen blieb erhalten. Es war Zeit für den nächsten großen Coup.
Etwas neues musste kommen.
und es kam.
Und das war der Motorsport. Enzo Ferrari war der wohl bekannteste Automobilhersteller mit dem erklärten Ziel, Rennen zu gewinnen. Ihm war die Serienfertigung seiner luxuriösen Sportwagen am Ende herzlich egal. Er verdiente damit ausschließlich das Geld, um seine Rennwagen zu bauen. Und das sagte der Commendatore auch unmissverständlich, Ferrari neigte ja insgesamt zum deutlichen Wort. Ja, die Ursache war Motorsport. Die Wirkung jedoch war, dass plötzlich mehr Menschen begannen, Autos von Herstellern zu kaufen, die Rennen gewannen. So einfach war das. Allerdings nur, wenn man Motorsport-DNA im Unternehmen hatte, wie Ferrari.

Was jedoch, wenn diese nicht oder nur in Fragmenten vorhanden war? Oder (durch Träume von der Weltherrschaft wie in Deutschland) erst einmal praktischeren Dingen wie dem Wiederaufbau zehn Jahre zuvor weichen mussten. Denn das war nötig, um mit einem Wirtschaftswunder erst einmal eine Basis für eine mögliche Massenmobilisierung zu schaffen.
Aber Motorsport wirkte. Ferrari hat es vorgemacht, andere große Automobilhersteller zogen nach. „Win on Sunday, sell on Monday“ ist nicht nur eine Phrase, auch wenn sie sich nach Planwagen-Romantik im Wilden Westen anhört. Der von Ford Händler Bob Tasca in den fünfziger Jahren laut gedachte, aber griffige Claim war und ist von Bedeutung. Bis heute.

Apropos Ford: Henry Ford II. fing genau diesen Ball auf. Nach der missglückten Übernahme Ferraris samt Demütigung ließ er „from scratch“ den bis dato in der Entwicklung teuersten, hubraumstärksten und wohl auch gefährlichsten Langstrecken-Rennwagen aller Zeiten als direkten Konkurrenten zu Ferrari konstruieren. Den Ford GT40.
Dieser sah sehr schön aus, seine Schweller fassten jedoch beidseitig achtzig-Liter Kraftstofftanks, diese fungierten sozusagen als „Seitenaufprallschutz ad absurdum“. Wie auch immer, Ford ließ das Monster bauen und von furchtlosen Rennfahrern auf den Rennstrecken der Welt einsetzen. Es dauerte etwas und nicht jeder überlebte das, aber der GT40 (wegen seiner abstrakt niedrigen Höhe von nur 40 Zoll) Auto gewann alles und überall. Auch die 24h von LeMans als prestigeträchtigstes Rennen der Welt. Und zwar 1966, 67, 68 und 69. Und Ford verkaufte mehr Autos.
Radikal und unerhört. der carabo.

Die sechziger gingen, das Kantendesign erreichte eine neue Dimension. Doch was auf dem Pariser Autosalon 1968 stand, veränderte die Welt, selbst den hartgesottensten Redakteuren diverser Automobilzeitungen stockte der Atem. Auto-Couturier Bertone brachte (wieder mit Marcello Gandini) den Alfa Romeo Carabo.
Dieser war zwar nur eine Studie, aber sie zerteilte Alt und Neu in zwei Hälften. Und damit ist gemeint, dass eigentlich niemand mehr die alte Hälfte brauchte. Einzig dieser Keil ließ etwa ein Drittel aller auf dem Salon debütierenden Fahrzeuge steinalt aussehen. Zum Beispiel den brandneuen Opel GT, der zwar formal sehr gut gelungen war, jedoch die Formen der Sechziger auftrug, statt neue Impulse zu setzten.
Doch warum hinkte der GT seiner Zeit hinterher?
Es brauchte im GM-Konzern einfach zu lange, ihn durchzuwinken. Sein Gestalter, Eberhard Schnell, zeichnete ihn bereits 1962. Und zwar im Designstudio des GM Headquarters in Detroit unter Designchef Charles „Chuck“ Jordan, der nur wenige Jahre vorher für den wildesten „Space Age“ Cadillac Eldorado, Modelljahr 1959 verantwortlich war. Als Harley Earls Nachfolger verpasste dieser der Raketen-Ära den Absch(l)uss.
Auch leicht von gestern bei der Vorstellung übrigens: der Prototyp (!) des Ford Escort, liebevoll „Hundeknochen“ genannt. Seinem Erfolg tat das keinen Abbruch. Aber zurück zur Kante, denn da beruhigten sich die Profis aus der Industrie und den Designstudios, dass an eine Serienfertigung der dramatischen Keile ja schon aus Gründen der Praxistauglichkeit et cetera nicht zu denken war.
Dachte man, bis das Dreamteam Bertone und Gandini (ja, schon wieder) Anfang der Siebziger den nicht weniger dramatisch gestalteten Lamborghini Countach brachte. Dieser war zwar wieder ein Prototyp, diesmal jedoch in allen relevanten Bereichen fertig entwickelt für die Serienproduktion. Der Lamborghini war wie vorher der Carabo ein Auto wie vom anderen Stern, superflach und ausgestattet mit einem geradezu empörend coolen Design-Highlight, nämlich nach oben öffnenden Scherentüren. Und Lamborghini baute ihn, einfach so.

rund gelutscht statt abgefahren
Normalerweise wäre dieser Artikel jetzt zu Ende, denn alle Extreme im Design waren zu diesem Zeitpunkt, spätestens nach dem Erscheinen der Gandini-Schöpfungen bespielt. Doch natürlich wurden auch danach schöne Autos gebaut. Ihren Schöpfern gilt es genauso Respekt zu zollen. Sie zitieren jedoch nur das, was es vorher schon gab.
Manche machen das ganz gut, andere nicht so sehr. Ferrari beispielsweise huldigte seinem Gründer Enzo Ferrari mit dem ultracoolen F40. Sein Design war eher eine evolutionäre statt revolutionäre Weiterentwicklung auf Basis des schönen 308 respektive des wilden 288 GTO. Warum war es für Ferrari nicht so wichtig, mit krassem Design auffällig zu werden? Weil sie im Gegensatz zu Lamborghini im Motorsport ablieferten, Glaubwürdigkeit vor Drama. Kult vor krass.
Apropos Kult: Keil, so ein Golf Eins, oder? Sein Schöpfer: Giorgetto Giugiaro, der Vorgänger von Marcello Gandini bei Bertone und heute einer der einflussreichsten Automobildesigner aller Zeiten. Beispiele? Guigaro zeichnete den Golf, den Scirocco, den Passat und den Audi 80, der wiederum die Vorlage für den Audi Quattro war. Und den BMW M1, den DeLorean DMC12, den Bugatti EB112. Noch nicht überzeugt? Er zeichnete auch den Lancia Delta, Maserati Ghibli, Bora und Merak und Lotus Esprit. Und etwa zwanzig weiterer Design-Klassiker für die Ewigkeit.
Das runde muss ins eckige.

In den siebziger fielen rund gestaltete Fahrzeuge zugunsten kantiger Autos wie dem Golf nach und nach aus der Mode. Um es in den Achtzigern wieder genau umgekehrt zu machen. Zwischen 1968 und 1990 änderte sich der Trend einmal öfter als in den Dekaden davor und danach. Manche konnten damit umgehen.
Citroën beispielsweise bewegte sich geschickt zwischen den Welten, schaffte es, seine Autos mit einer eindeutigen Markenzugehörigkeit auszustatten, bezahlbar und trotzdem ausgestattet mit extravaganter Technologie. Andere Hersteller (Ford, General Motors und Toyota) konnten, oder wollten (Saab, Volvo) nicht vermeiden, dass ihre Designs nach kurzen Abständen oder gar insgesamt veraltet daherkamen. Was sie heute eher als konsequent dastehen lässt. Während die siebziger klar zuzuordnen sind, wird es ab 1980 zäh, denn dieses Jahrzehnt brachte tatsächlich nur wenige ikonische Formen wie den F40 auf den Markt.
Die meisten Hersteller bauten Autos für eine Design-Halbwertzeit von fünf bis zehn Jahren. Der Lamborghini Countach, um dieses Auto noch einmal als ein extremes Beispiel zu nennen, war seiner Zeit ziemlich genau sechsundzwanzig Jahre voraus. Denn so lange wurde er gebaut, ohne ansatzweise veraltet zu wirken. Plus die drei Jahre von der Vorstellung des Prototypen bis zur Serienfertigung versteht sich.
Der Countach wurde nur aus einem einzigen Grund durch seinen Nachfolger Diablo abgelöst: er galt als technisch ausgereizt. Als wenn das nicht genug wäre, beeinflusst dieses Auto das Design von Lamborghini noch heute. Im Jahr 2022 kam der Countach II als limitierte Sonderserie auf den Markt. Ausverkauft vom Start weg. Er zitierte deutlich das Original von 1971 und dient gleichzeitig als Vorlage für künftige Modelle.

Wer hat es richtig gemacht? Grundsätzlich diejenigen Hersteller, die entweder ein ikonisches Design als Steilvorlage haben, wie zum Beispiel Porsche mit dem 911, oder diejenigen, die sich den Trends nur maßvoll nähern und auf zeitloses Design setzten. Wie zum Beispiel das Brot und Butter Auto DAF mit dem Typ 55 und seinem Nachfolger 66 und einem Design von Giovanni Michelotti. Jenen sollte man ebenfalls zu den italienischern Designern mit goldener Hand bei der Formgebung zählen.
Volumenhersteller wie Volkswagen fuhren das Risiko herunter und die Produktion hoch. „Keine Experimente“ galt als Konzernvorgabe für Konstrukteure wie Interieur- und Exterieur-Designer. Die Wolfsburger fühlten sich noch leicht ermattet vom lange drohenden Untergang durch das Festhalten am Käfer und seinen luftgekühlten Derivaten. Selbst die Initialzündung des Golf GTI musste 1975 unterhalb von Flurfunk und Vorstandsradar laufen, um dem Projekt eine Chance zu geben.
Keiner konnte Produktion besser. so.
Die achtziger Jahre brachten auch spätestens die Japaner weltweit in die Showrooms.
In Japan verknüpfte man überaus intelligente Produktionsmethodik mit effizienter Logistik und addierte zuverlässige Technik mit etwas sportlicher Attitüde zu einem Mix, der (alle) Automobilhersteller bis heute prägt. Mindestens, was die Produktion betrifft.
Aus designhistorischer Sicht sticht der Mitsubishi Starion alle Konkurrenten aus. Keiner ist eckiger, keiner konsequenter gestaltet, keiner mehr achtziger Jahre. Oder anders ausgedrückt: optisch ist der Starion sehr gut platziert in einem Captain Future Comic.

Die neunziger Jahre waren aus Automobil-historischer Sicht interessanter, auch weil Ende der Achtziger die Nische (wieder) erfunden wurde. Ganz vorne ist hier Mazda zu nennen. Als erster Volumenhersteller der Welt hatte Mazda den Mut, endlich wieder ein Spaßauto auf den Markt zu bringen. Das war etwas, dass es schon viele Jahre so konsequent nicht mehr gegeben hatte. Der MX5 „miata“ kam mit vielen Emotionen und ohne großen Nutzwert. Was niemanden störte, wer hätte das gedacht.
Der MX5 ist ein großartiger Roadster, knackig abgestimmt, farbenfroh und mit einem Lächeln im Gesicht. Deshalb verzaubert er Millionen bis heute und wird zum Auto mit der höchsten Produktionszahl in seinem Fahrzeugsegment. Das wirkte und rief andere Hersteller auf den Plan. Die einen (BMW Z3, Mercedes-Benz SLK, Porsche Boxster) dachten das Konzept komfortabler, die anderen (Lotus Elise) dachten es konsequenter. Noch etwas anderes hat der MX5 noch auf den Weg gebracht und das ist heute nicht mehr wegzudenken: das Retro Design. Denn der Mazda basiert ziemlich eindeutig auf der Designidee des Lotus Elan von 1962.
Mut zur Lücke.
Die etablierten Hersteller erkannten die Lücke. Beinahe jeder, der ein Kult-Fahrzeug in der Vergangenheit herstellte, brachte eine Neuauflage auf den Weg. Ein sicherlich gutes Beispiel sind heute Fiat 500 und Mini, eher hinter den Erwartungen blieb der VW New Beetle.
Eines ist sicher, seit dieser Zeit und bis heute werden Retro-Spaßautos gebaut und verkauft. Sogar Mercedes-Benz traute sich, mit dem SLS den legendären Flügeltürer 300 SL neu zu interpretieren. Ist das mittlerweile auch ein Sammlerfahrzeug? Natürlich. BMW? Der Z8 ist eine Hommage an den BMW 507. Ebenfalls ein Klassiker mit einer signifikanten Wertsteigerung wie der SLS.
Aber es ging auch abstrakter: Ein Beispiel dafür ist der eigentlich völlig unpraktische, wenn auch ungewöhnlich hochwertig gefertigte Audi TT. Sein Design unter der Leitung von Peter Schreyer ist stark an den NSU TT angelehnt, der genau wie der Audi vorne und hinten sehr ähnlich aussah. NSU, ein Audi Vorfahre, kam aus dem Motorradbau, also war das berühmteste Motorradrennen „Tourist Trophy“ auf der Isle of Man logischer Namensgeber für beide TT. Sein komplett zeitloses und trotzdem „zitierendes“ Design, da würden wir uns festlegen, wird einmal ganz klar eines der dicksten Ausrufezeichen für das Automobildesign der neunziger Jahren hinterlassen.
Die neunziger. Experimente und was es sonst noch so gab.
Die neunziger Jahre waren überwiegend technologisch geprägt. Was ging, wurde auch gemacht. Dies galt für Leistung, Luxus und Komfort. Im Volumenmarkt machten es die Zweitausender nicht leicht für Automobildesigner. Zum einen kamen immer mehr Auflagen in Sachen aktiver und passiver Sicherheit, zum anderen hatte es gefühlt alles schon einmal gegeben. Klappscheinwerfer kamen nicht etwa aus der Mode, sie bekamen keine Zulassung mehr. Also wurde und wird bis heute mit Scheinwerfern und ihrer Form experimentiert.
Chris Bangle, Jahrgang 1956, zeichnete einige der wohl zunächst am schwersten zu verdauende Autos dieser Zeit. Die BMW 5er, 6er und 7er. Diese fielen auf, waren aber ästhetisch nicht leicht zu vermitteln. Nicht wenige kauften BMW´s dieser Zeit trotz, nicht wegen ihres Designs. Das ist nicht ganz fair, denn gerade deshalb gehört Bangle zu den vielleicht wichtigsten Designern dieser Zeit.
Sein Ziel war klar, er wollte die Autos seines Arbeitgebers unverwechselbar machen. Heute sieht das ebenfalls von ihm gezeichnete Coupé Fiat (ja, genau so herum) zum Beispiel erfrischend frech aus. Außerdem hat sich unseres Wissens niemand über das Rolls-Royce Design der letzten fünfundzwanzig Jahre oder den „neuen“ Mini ab Baujahr 2000 beschwert, denn diese stammen ebenfalls aus seiner Feder.


Auch in den neunziger Jahren entstanden noch Ikonen, zum Beispiel Gordon Murrays McLaren F1 mit Zwölfzylinder BMW Triebwerk. Dieser war nicht nur formal ein echter Hit, der F1 brachte auch die nächsten technologischen Entwicklungen auf die Straße. Nein, nicht die Schmetterlingstüren sind gemeint. Die sind einfach nur unglaublich cool. Der F1 war das erste Automobil in Kohlefaser-Monocoque-Bauweise, ausgelegt als Dreisitzer mit dem zentralen Fahrersitz in der Mitte des Fahrzeugs. Und er hatte eine ausgefeilte Aerodynamik mit zwei zusätzlichen Ventilatoren im Fahrzeugboden, die zusätzlichen Unterdruck als Ergänzung zum Abtrieb erzeugen. Top Speed 381 Km/h.
Porsche musste den seinerzeit schon ikonischen 911 gleichzeitig technisch und optisch neu denken. Das war nicht leicht. Das Werkskürzel 996 löste den letzten luftgekühlten 993 ab und brachte mit Pastillen-Look im Innern, Sparkurs-Ausstattung und Spiegeleier-Leuchten die gusseiserne Fangemeinde gegen sich auf. Aber der 996 rettete zusammen mit Boxster und dem Sparkurs eines gewissen Herrn Wiedeking das Unternehmen. Mit dem Geld aus den Einnahmen stellte Porsche auch den Cayenne auf die Räder, der als Luxus-SUV Weltkarriere machte. Ja, auch mit dem Bau von SUV´s scheinen einige Hersteller frühzeitig den richtigen Nerv getroffen zu haben, auch wenn so ein Fahrzeug fahrdynamisch nur schwer überzeugen kann. Zusätzlich haben es SUV´s formal nicht leicht, als hübsch wahrgenommen zu werden.
und jetzt?
Es ist nicht so, dass in den letzten fünfundzwanzig Jahren nicht auch interessante, polarisierende Fahrzeuge gebaut wurden, aber sie haben keine völlig neuen Design-Maßstäbe gesetzt. Der aktuelle Porsche 911 ist beispielsweise sehr schön gestaltet. Er verfügt über moderne Elemente und passt gut in die Zeit. Aber er basiert letztendlich auf dem, was vorher war. Und klar, nach sechzig Jahren Bauzeit wäre das Designteam um Michael Mauer schlecht beraten, etwas anderes als genau diese Basis zu verwenden.
Aber nicht alle Hersteller von Fahrzeugen bewiesen ein derart glückliches Händchen. Noch nie war die Unterscheidung von Marken so schwierig wie heute, bei gleichzeitig deutlich mehr unterschiedlichen Fahrzeugen von mehr Herstellern. Ein Beispiel? Natürlich kann man sagen welchen Mercedes-Benz Typ man fährt. Die Chance, dass der Gesprächspartner aber sofort weiß, um welches Fahrzeug sich das im Einzelnen handelt, in welcher Karosserievariante und ob konventionell motorisiert, hybridisiert oder vollelektrisch, ist oft erst einmal unklar. Das führt vermutlich nicht gerade zu einer uneingeschränkt fröhlichen Markenbindung des Käufers. Oder weiß jemand, wie das neue Facelift vom „GLB“ aussieht und ob das etwas mit Farbe zu tun hat?

Unsere leicht gewagte These: In den letzten fünfundzwanzig Jahren schien die Technologie im Automobilbau manchen vielleicht wichtiger zu sein als die Formgebung. Bei der Technik ist klar, was vom Markt gefordert wird. Autos können deshalb heute teilweise oder ganz autonom fahren. Technologisch geht das, also wird es gemacht. Früher waren schnelle Autos schwer zu beherrschen, heute sind sie es nicht, also sind fast alle Autos vergleichsweise schnell.
Aber natürlich: so ein Automobil fährt heute nahezu perfekt, daran gibt es nichts auszusetzen. Zeitgleich mit einem deutlich gestiegenen Verkehrsaufkommen ist vielleicht das Fahren selbst zu einer Randnotiz mutiert. Doch hier geht es um das Design. Nach einigen mehr oder weniger erfolgreichen Versuchen, Fahrzeuge aggressiver zu gestalten und (Abgasanlagen lauter zu machen) ist aktuell wieder etwas Ruhe eingekehrt, auch den immer höheren Auflagen und Vorgaben geschuldet.
Doch warum fällt es den meisten Herstellern so schwer, sich zu differenzieren? Auch hier gibt es wieder ein Beispiel aus Deutschland. Niemand verwechselt vermutlich einen aktuellen BMW „Vierer“. Doch das von manchen Zweiflern als „Nierenleiden“ bezeichnete Design wird bereits bei den neuen Modellen zurückgenommen, es ist zu extrem. Also nicht extrem schön, sondern nur extrem.
Oder nehmen wir Elektroautos, sie bringen alleine von ihrem technischen Layout neue Möglichkeiten für das Design mit sich. Bislang führt das jedoch nicht wirklich zu frischem Wind, erst recht nicht zu außergewöhnlichen Designlösungen, oft passend zu geringerem Fahrspaß. Weiß jemand, welche Art von Exterieur Design Mitte der 2020er angesagt ist? Denn seit zwanzig Jahren rudern Designer zwischen Rundungen und Kanten hin und her, mal gibt es mehr, mal weniger von beidem. Was nun?
Individualität, Mobilität und Emotion.
Seit die Formgestaltung von Fahrzeugen eine solche Relevanz besitzt, im Massenmarkt also etwa seit den vierziger Jahren, befinden sich die Designer fortwährend in einem Wettstreit. Von ihrer Arbeit hängt der Erfolg eines Automobils direkt und nachweislich zu einem großen Teil ab. Es gibt viele Facetten im Automobildesign. Unglaublich gestaltete Automobile, die nicht erfolgreich waren, genauso wie erfolgreiche Autos trotz eher beliebigem oder konsequent veraltetem Design.

Wenige Male gab es so etwas wie einen Urknall mit einem Entwurf, der die Fahrzeugwelt veränderte. Dadurch sind diese Fahrzeuge heute etwas ganz Besonderes. Heute sind es ganze Abteilungen, die ein Design zu verantworten haben. Die meisten Automobilhersteller sind bereits so lange am Markt, dass sie nicht nur eine modellhistorische Vita haben, sondern auch eine designtechnische. Und die kann man nicht einfach so ignorieren. Jaguar versucht das gerade und es kommt nicht gut an.
Auch die Vorgehensweise hat sich stark verändert. In den Fünfzigern wurden Automobile autodidaktisch gestaltet, teilweise die Technik anschließend in die Form gepresst. Oder die Karosserien wurden eben so groß gebaut, dass die Technik problemlos hineinpasste. Heute steht zuerst die Technik, und zwar als Plattform, meist für mehrere Modelle oft sogar unterschiedlicher Hersteller unter einem Konzerndach. Nicht alle einzelnen Modelle müssen einzeln betrachtet erfolgreich sein.
So war der Volkswagen Phaeton zwar wirtschaftlich gesehen ein Flop, aber er bot die technische Plattform für den hochprofitablen Bentley Continental GT mit einer sehr langen Bauzeit. Jede Designabteilung feilt heutzutage an Designs, die unmittelbar in Echtzeit vom Rechnersystem auf ihre aerodynamische Qualität geprüft werden. Also genau das, was zweimal der Geschichte des Automobildesigns eine neue Richtung vorgab, ist nun in die zweite Reihe gerückt.
Vermutlich hat das teils gravierende Auswirkungen auf die Freiheit bei der Gestaltung. Oder anders ausgedrückt: Es könnte sein, dass ein Teammitglied aus der Porsche Designabteilung betreten zum Randstreifen schaut, wenn ein aktueller Porsche 911 mit ausgefahrenen Heckspoiler auf der Überholspur passiert, denn das sieht wirklich nicht so gut aus. Dabei kann sie oder er aus zwei Gründen überhaupt nichts dafür. Erstens, weil das die womöglich einzige Lösung ist, um die ikonische Form mit einer zeitgemäßen Aerodynamik zu kombinieren. Und zweitens, weil der Neunelfer das Ausfahren der unästhetischen Luftbremse ganz alleine entscheidet, und zwar ab exakt 120 Km/h.
Was macht das Design von Klassikern heute so faszinierend?

Ganz am Anfang ging es um individuelle Mobilität, nach und nach kamen Emotionen sowie Technologie, zum Schluss Rationalität hinzu. Heute ist individuelle Mobilität ganz normal, Hersteller versuchen möglichst viel Emotionalität in ihre Fahrzeuge zu bringen, oft bleibt es jedoch beim Versuch.
Aus diesem Grund machen alte Autos so viel Spaß, denn sie erinnern an eine ungezwungenere Zeit. Sie basieren auf einer Technik, die ohne größere Auflagen und den damit verbundenen Herausforderungen auskam. Heute sind klassische Automobile deshalb aus unterschiedlichen Gründen begehrenswert.
Da wäre zum Beispiel das, was Briten gerne „involvement“ nennen. Man fährt selbst und wird nicht gefahren, man schaltet und lässt nicht schalten. Das Auto ist nicht perfekt, man ist es selbst ja auch nicht. Man möchte die Eigenarten des Fahrzeugs beherrschen. Das macht Spaß, es ist irgendwie „Arbeit in schön“. Dafür braucht man beide Hände, beide Füße und das Herz.

Was einen Automobilklassiker jedoch offensichtlich, sofort und praktisch für jedermann ausmacht, ist sein Design. Wenn man vor einem Klassiker steht und sich in die Zeit seines Erscheinens hineinversetzt, erkennt man, welcher Hersteller Trends gesetzt, wer sich ihnen gebeugt hat und erfrischender Weise auch, wer sie nachhaltig und konsequent ignoriert hat.
Das Automobildesign ist ein gut funktionierender, durch und durch faszinierender Spiegel der Zeit. Dabei sind es manchmal, aber nicht immer die „schönen“ Autos, die am meisten faszinieren. Die aus unserer Sicht relevantesten Designer haben mehr getan, als „nur“ Autos zu gestalten. Sie haben Automarken identifizierbar und einzigartig gemacht. Damit haben sie die Menschen begeistert und Formen für die Ewigkeit geschaffen. Chapeau.
Hier sind unsere Top 10 der wichtigsten Designer,
ihre relevantesten Modelle und das Erscheinungsjahr.
Erwin Komenda, Volkswagen Typ1, 1936 als KDF-Wagen, Porsche 356, 1948
Harley Earl, Cadillac Eldorado, 1958
Friedrich Geiger, Mercedes-Benz 300 SL, 1954
Flaminio Bertoni, Citroën DS, 1955
Malcolm Sayer, Jaguar E-Type, 1961
Sir Alec Issigonis, Mini, 1961
Marcello Gandini, Lamborghini Miura 1966, Lamborghini Countach 1973
Leonardo Fioravanti, Ferrari 365 GTB4 Daytona, 1969, Ferrari 308, 1975, 1984
Battista „Pinin“ Farina, Ferrari 512 TR, 1991, Ferrari F40, 1988
Giorgetto Giugiaro, Volkswagen Golf 1974, DeLorean DMC12, 1981, Bugatti EB112, 1993
Text und Design: Arndt Hovestadt
Fotos: Humberto Portillo, Georg Eiermann
Adrian Newell, Alex Shuper, Oli Woodman,
Quentin Martinez, Maxime Agnelli